Sieben Sperrwerke schützen die Einwohner des Landkreises Stade und der Region seit Jahrzehnten vor den Naturgewalten der Nordsee. Diese Küstenschutzbauwerke, die in den 1960er- und 1970er-Jahren errichtet wurden, haben ihre Glanzzeiten jedoch hinter sich. Am 1. Oktober stellte der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) die Ergebnisse einer umfassenden Überprüfung dieser Bauwerke vor. Zudem wurde ein Fahrplan präsentiert, wie die massiven Bauwerke entlang der Deichlinie für zukünftige Herausforderungen ertüchtigt werden können, um auch weiterhin einen zuverlässigen Schutz zu gewährleisten.
Aktuelle Situation und zukünftige Herausforderungen
Andreas Kosch, Projektleiter des NLWKN, verkündete zunächst eine positive Nachricht: „Alle überprüften Bauwerke sind in der Lage, den erhöhten Bemessungswasserstand, der zuletzt 2021 angepasst wurde, und die aktuellen Herausforderungen durch Sturmfluten statisch sicher zu bewältigen, trotz ihres fortgeschrittenen Alters.“ Allerdings wies Kosch auch darauf hin, dass unter Berücksichtigung der zukünftigen Herausforderungen durch den Klimawandel eine andere Perspektive notwendig sei. Niedersachsen berücksichtigt bereits heute einen prognostizierten Meeresspiegelanstieg von einem Meter in den Planungen des Küstenschutzes für die nächsten 100 Jahre. Dies bedeutet, dass in den kommenden 35 Jahren erhebliche Investitionen in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro sowie personelle Anstrengungen erforderlich sein werden, um die sieben Sperrwerke zwischen Oste und Lühe zukunftsfähig zu machen. Diese Entwicklungen waren aufgrund des Alters der Bauwerke erwartet worden.
Dringlichkeit der Maßnahmen
Umweltminister Christian Meyer unterstrich die Dringlichkeit der geplanten Maßnahmen: „Angesichts des Klimawandels und des steigenden Meeresspiegels ist es unerlässlich, den Küstenschutz zu verbessern, um die Menschen hinter den Deichen und ihr Eigentum zu schützen. Die Bundesmittel für den Küstenschutz müssen daher dauerhaft erhöht werden.“ Niedersachsen hat seinen Beitrag zum Küstenschutz bereits aufgestockt. Meyer betonte zudem, dass die beschleunigte Umsetzung auch mehr Personal und Ausrüstung beim NLWKN erfordert. Im Haushaltsplan 2024 konnte der NLWKN bereits 200 Dauerarbeitsplätze schaffen. Weitere Stellen für den Hochwasser- und Küstenschutz sowie für die erforderliche Flächenbeschaffung sind im Haushaltsplan 2025 und der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen.
Priorisierung der Ertüchtigungsmaßnahmen
Im Rahmen der Untersuchungen wurde eine Priorisierung der erforderlichen Ertüchtigungsmaßnahmen auf Basis objektiver Kriterien vorgenommen. Externe Gutachter und Küstenschutzexperten des NLWKN identifizierten beim Siel Wischhafen, dem Sperrwerk Ruthenstrom und dem Lühesperrwerk den dringendsten Handlungsbedarf. Vor allem das Siel Wischhafen, das als Bauwerk mit dem höchsten Handlungsdruck gilt, soll durch vorgezogene Sicherungsmaßnahmen für die kommenden Jahrzehnte fit gemacht werden. Für das Sperrwerk Ruthenstrom und das Lühesperrwerk wurden bereits Planungen begonnen, um eine Fertigstellung bis 2060 zu gewährleisten.
Bei einigen Bauwerken, wie dem Sperrwerk Ruthenstrom und dem Sperrwerk Abbenfleth, wird ein vollständiger Neubau empfohlen. In anderen Fällen, wie beim Ilmenausperrwerk im Winsener Ortsteil Hoopte, wird eine Ertüchtigung des Bestandsbauwerks umgesetzt. Der NLWKN hat bereits 2022 ein Ersatzneubauprojekt in Otterndorf abgeschlossen: die Hadelner Kanalschleuse als Multifunktionsbauwerk.
Personal- und Finanzierungsbedarf
Peter Schley, Betriebsstellenleiter des NLWKN, hob den erheblichen Bedarf an zusätzlichen Mitteln und Personal hervor: „Das derzeitige Personal im Bereich Betrieb und Unterhaltung ist bereits stark ausgelastet, da der Instandhaltungsaufwand mit zunehmendem Alter der Anlagen weiter steigen wird.“ Auch im Bereich Planung und Bau sei man aktuell nicht ausreichend aufgestellt, um die erforderlichen Großprojekte parallel zu bewältigen. Daher baut der NLWKN derzeit ein zusätzliches Ingenieur-Team am Standort Stade auf, das von erfahrenen NLWKN-Experten geleitet und eingearbeitet wird.
Bis auf das Ostesperrwerk, das sich im Eigentum des Bundes befindet, werden alle betroffenen Sperrwerke vom NLWKN im Auftrag des Landes Niedersachsen betrieben und unterhalten.